Frankfurt
Zwischen Aschaffenburg und Frankfurt konnte unser ICE stellenweise nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Da überholte uns ein beleibter Mann auf seinem elektrischen Rollstuhl – mit in die Luft gereckter Faust.
Als ich morgens im Hotel in Bahnhofsnähe aufwachte, war ich außerordentlich überrascht, von Vogelstimmen geweckt zu werden – gerade so, wie ich es von zu Hause gewohnt bin. Ich hatte mein Hotelfenster zu einem kleinen Zwischenhof hin, und konnte es daher über Nacht gekippt lassen. Selbst in einer lauten Stadt wie Frankfurt singen die Vögel. Und auch die blühenden Linden wiegen sich im Sonnenlicht. Alles ist präsent – nur wird es vom Lärm des grauen Riesen überdeckt.
Auch die Menschen habe ich mir genau angesehen, um zu verstehen, wie sie in dieser lebensfeindlichen Umgebung leben können. Da war ein Mann im Anzug, der einen kleinen Plüschelch in seinem Rucksack hatte. Das hat mich sehr berührt.
Besonders beeindruckt hat mich jedoch eine junge Frau, die auf dem Radstreifen einer großen Straße fuhr. Zwar fuhr sie aufmerksam, aber auch betont langsam. Für einen Moment erschien sie mir wie ein weiblicher Herakles, der sich gegen den großen Moloch stemmt. Es war eine große Geste, da sie wie in Zeitlupe durch die hektische Stadt fuhr.
Frankfurt. Ich hoffe, wir sehen uns so bald nicht wieder.
Frankfurt II
Am in den Main einmündenden Ende des Westhafens, auf der Fußgänger-Bogenbrücke, als ich gerade mein Stativ aufgestellt hatte, um ein Foto des Prospekts mit dem Turm aufzunehmen, sprach mich ein Mann an. Er hatte Migrationshintergrund, war hager sowie schlecht gekleidet, und wurde von einem weiteren, schwarzbärtigen Mann begleitet.
„Eh, machst du schönes Foto!“
Ich drehte mich zu ihm um und sagte: „Das Foto ist nicht von mir, sondern das war der Architekt.“
Er lächelte und hielt mir die geballte Faust zur Begrüßung entgegen. Nach dem Gruß ging er weiter. Im Fortgehen hörte ich ihn zu seinem Begleiter sagen:
„Eh, hast du den Mann gehört? Der Architekt. Da hat er aber recht.“
Abends stand ich eine Stunde auf der Alten Brücke, um die Skyline Frankfurts zu fotografieren. Das Motiv hat so seine spezielle kompositorische Tücke, da der Main einen großen Teil des vorderen Bildraums einnimmt. Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang habe ich dann mein Stativ abgebaut. Andere Fotografen blieben noch geduldig vor Ort. Im Vorübergehen sprach ich meinen Nachbarn an:
„Ich wünsche dir ein Boot.“
Er sah mich überrascht an und meinte:
„Ich warte wirklich auf ein Boot!“
„Ich weiß.“
Die Überraschung und Freude über meinen Wunsch war ihm anzusehen. Tatsächlich – als ich von der Brücke herunter ans Mainufer kam, waren sogar gleich zwei Boote unterwegs: ein Frachtkahn und eine späte Ausflugsfähre. Unser Wunsch hat sich also erfüllt.
Frankfurt. Auch in dir leben Menschen.
2025
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